Prävention von Ausbildungsabbrüchen durch frühzeitige individuelle Beratung

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Beratung und Vernetzung als „Frühwarnsystem“ gegen Ausbildungsabbrüche

Das HdBA-Projekt PraeLab zeigt, dass vorzeitige Vertragslösungen und Ausbildungsabbrüche durch die Qualifizierung und Vernetzung des Berufsbildungspersonals verhindert werden können.

Der Anteil junger Menschen, die in Deutschland vorzeitig und ohne Abschluss ihren Ausbildungsvertrag auflösen, liegt seit Jahren bei ca. 25 Prozent. Wie viele davon „echte“ Abbrecherinnen und Abbrecher sind, die auch nach drei Jahren nicht ins duale Ausbildungssystem zurückgekehrt sind, lässt sich nicht exakt sagen, da in der Ausbildungsstatistik keine echten Verlaufsdaten vorliegen. Schätzungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zufolge trifft dies allerdings auf ca. 12 Prozent der Auszubildenden zu.  
Angesichts dieser problematischen Situation hatte sich die EU mit dem Programm „Leonardo da Vinci“ zum Ziel gesetzt, europaweit Forschungsvorhaben zu finanzieren, die daran arbeiten, die Abbruchquote zu senken. Dazu gehörte von 2010 bis 2012 das Projekt PraeLab (Praevention von Lehrabbrüchen), das seit Oktober 2012 an der HdBA als eigenes Forschungs- und Entwicklungsprojekt in enger Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich Produktentwicklung Berufsberatung und mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit (BA) weitergeführt wird. 

 

PraeLab als Qualifizierungsmaßnahme für Personen in der Bildungs- und Berufsberatung

Das vorrangige Ziel von PraeLab ist es, vorzeitige Vertragslösungen und Ausbildungsabbruchsrisiken durch die Etablierung eines „Frühwarnsystems“ zu reduzieren, das es Personen in der Bildungs- und Berufsberatung ermöglicht, Jugendliche mit Ausbildungsabbruchrisiko schnell zu identifizieren, möglichst frühe, niederschwellige, einzelfallorientierte Beratungsmaßnahmen und daran anschließende weitergehende Unterstützungsangebote anzubieten. Um dies zu erreichen, muss die Beratungskompetenz aller Berufsgruppen in der Bildungs- und Berufsberatung optimiert werden. Der Fokus von PraeLab liegt also auf dem Qualifizierungsbedarf des Berufsausbildungs- und Berufsberatungspersonals. Damit unterscheidet sich PraeLab von Ansätzen, die Ausbildungsabbruchsrisiken einseitig auf die Kompetenzdefizite der Auszubildenden zurückführen.
Der Verlauf der PraeLab-Qualifizierung: Nach der Vorbereitungsphase der Schulungsteilnehmenden, die sich über die beruflichen Rahmenlehrpläne und die Abbruchquoten in ihrem Berufsfeld informieren, konzentriert sich der erste Kurstag auf die Diagnostik. Die Teilnehmenden werden über Früherfassung und Prävention von Ausbildungsabbrüchen sowie über die Bedeutung von überfachlichen Kompetenzen für den Ausbildungserfolg informiert. Im Zentrum des ersten Kurstages steht auch der kompetente Umgang mit dem Online-Erhebungstool smk 72+, durch das die Auszubildenden ihre überfachlichen Kompetenzen und ihr Ausbildungsabbruchrisiko selbst einschätzen können. 
Der zweite Kurstag fokussiert den Themenbereich Beratung. Hier wird gezeigt und geübt, wie die Weiterbildungsteilnehmenden Beratungsgespräche unter Zuhilfenahme der ausgewerteten Online-Selbsteinschätzungen initiieren können, wie sie die gewonnenen Ergebnisse auf der Ebene der Klasse oder Gruppe den Auszubildenden rückmelden und im Anschluss daran Jugendliche individuell beraten.
Ergänzt wird der Theorieteil der Qualifizierung durch einen ein- bis zweitägigen Paxisteil, in dem die Inhalte der Kurstag 1 und 2 in der Berufsschule oder im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung mit ausgewählten Ausbildungsberufen umgesetzt wird.
Am dritten Kurstag werden die Schulungsinhalte sowie die Rückmeldungen aus den Erstgesprächen nochmals intensiv reflektiert und evaluiert. Das gesamte Modul kann mit einer Modulprüfung in Form eines Projektberichts und somit zum Erreichen von 5 ECTS-Credits abgeschlossen werden.
Während der gesamten PraeLab-Qualifizierung wird die Grundlage für die Vernetzung aller an der Maßnahme beteiligten Fachkräfte gelegt. Durch die langfristige Implementierung stabiler Netzwerke zwischen allen relevanten Personen und Institutionen (Arbeitsagenturen, Berufsschulen, Ausbildungsbetriebe, Kammern, etc.) sollen die unterstützenden Ressourcen gebündelt und den Auszubildenden als weiterführende Hilfestellungen zur Verfügung gestellt werden. Hier geht die PraeLab-Qualifizierung über die reine Wissensvermittlung hinaus und eröffnet im Vergleich zu anderen Weiterbildungen einen erkennbaren berufspädagogischen Mehrwert.  

Erste positive Evaluationsergebnisse im Hinblick auf vorzeitige Vertragslösungen und aktuelle Abbruchsrisiken

Seitdem die HdBA PraeLab als eigenes Forschungs- und Entwicklungsprojekt in enger Zusammenarbeit mit der BA weiterführt, wird die PraeLab-Methodik in Modellregionen erfolgreich eingesetzt.
Abbildung 2 zeigt anhand der Entwicklung der Vertragslösungszahlen in Neuwied, dass die PraeLab-Methodik zu einem erkennbaren Rückgang der frühzeitigen Vertragslösungen führt: PraeLab wird im Agenturbezirk Neuwied seit Ende 2011 angewendet. War zu Beginn 2011 noch der Anteil der vorzeitigen Vertragslösungen im Agenturbezirk Neuwied deutlich höher als in vergleichbaren Nicht-PraeLab-Bezirken in Rhein-Lahn, Montabaur und Altenkirchen, so hat sich diese Quote im Verlauf des PraeLab-Schulungszeitraums sukzessive von fast 28 auf 22 Prozent reduziert. Ende Oktober 2013 weist der Agenturbezirk Neuwied schließlich die geringste Zahl an Vertragslösungen auf.
Vorliegenden Zahlen bestätigen, dass PraeLab geeignet ist, Abbruchrisiken frühzeitig zu erkennen und durch gezielte individuelle Beratung vorzeitige Vertragslösungen und Abbrüche aktueller Ausbildungsverhältnisse zu reduzieren. Personen in der Berufs- und Bildungsberatung erhalten durch PraeLab die notwendigen Instrumente und Methoden, um überfachliche Kompetenzen und Abbruchrisiken von Jugendlichen frühzeitig zu diagnostizieren und darauf aufbauend einzelfallbezogene Beratungen anzubieten.
Weitere Evaluationen werden gerade durchgeführt. Durch kontinuierliche Schulungen und Erhebungen wird die vorhandene Datengrundlage konsequent verbessert, um die kurz- und langfristigen Effekte der PraeLab-Methodik systematisch zu überprüfen: Welche (positiven) Effekte hat die PraeLab-Schulung auf die Beratungskompetenz der Teilnehmenden? Wie wirkt sich die PraeLab-Schulung auf das Kooperations- und Netzwerkverhalten der Beratungsfachkräfte aus? Welchen Einfluss hat PraeLab auf den Ausbildungsverlauf und die Berufsbiografie der entsprechend beratenen Jugendlichen? Sobald uns aussagekräftige Ergebnisse vorliegen, werden wir diese zeitnah veröffentlichen.